sozialpalast - Theater
beim Reset-Festival 05, 2014 in Münster
Das Private ist öffentlich, ist politisch!
Am 12.10. ab 20:00 Uhr im Pumpenhaus
Teil 2, Teil 3 , Teil 4, Teil 5, Teil 6
DarstellerInnen: Stefanie Bockermann und Toto Hölters.
Und: Sascha Hoverath und Giuseppe Tedesco.
Ausserdem: Cécile Lecomte, Volker Maria Hügel, Michael Sturm, Bernd Drücke und Alexandra Hippchen.
Beim Reset-Festival 05 im Pumpenhaus in Münster.
Wir haben es mit einem ganz normalen Sonntagabend zu tun:
20:00 Uhr Tageschau, 20:15 Tatort und 21:45 Günter Jauch.
Der Sonntagabend, ein Münsteraner Ehepaar beim Fernsehen: Noch läuft der Tatort, gleich kommt Günter Jauch.
Zeitlich orientiert am tatsächlichen Fernsehprogramm, schauen wir tief ins Private eines normativen Paares vor der Glotze, die heutzutage einen "Second Screen" zur Seite hat.
Die beiden diskutieren und verhandeln so allerlei zwischen Fernsehbild und häuslichem wie beruflichem Alltag, und reißen dabei Themen an, die mehr oder weniger bewusst immer auch gesellschaftspolitische und öffentliche Themen sind.
Mehr zu Charktere und Plot.
Ab 21:45 bricht dieses Öffentliche dann in den Fernsehabend ein. Wird die Bühne zum Fernsehstudio einer politischen Talkshow:
Plötzlich sitzt die Moderatorin mit ihren Talkgästen zu Hause vor dem Sofa, und redet über Themen der politischen Arbeit und deren VertreterInnen, die so oder ähnlich heute niemals ins deutsche Fernsehen kommen würden:
Flüchtlingspolitik, alternative Gesellschaftssysteme, politischen Aktivismus. Über Teilhabe und Ausgrenzung, über Desolidarisierung und Entpolitisierung, über Widerstand, über die Neue Rechte in Deutschland und Europa und darüber hinaus.
"Wir wollen die politische Talkshow mal ernst nehmen, jenseits von Günter Jauch."
DarstellerInnen: Stefanie Bockermann und Toto Hölters.
Und: Sascha Hoverath und Giuseppe Tedesco.
Ausserdem: Cécile Lecomte, Volker Maria Hügel, Michael Sturm, Bernd Drücke und Alexandra Hippchen.
Die Talkgäste
und Moderatorin:
Cécile Lecomte, Kletterkünstlerin und politische Aktivistin, Wendland.
Cécile Lecomte engagiert sich mit kreativen Kletteraktionen sowie Höhen- und Objektbesetzungen für politische Ziele im Bereich des Pazifismus, der Antiatombewegung, der Ökologie und der Herrschafts- und Kapitalismuskritik. Zuletzt ist sie im Rahmen der Proteste gegen das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 in Erscheinung getreten. Aufgrund ihrer Aktionen des zivilen Ungehorsams wurde sie mehrfach von deutschen Gerichten verurteilt oder präventiv „zur Gefahrenabwehr“ in Gewahrsam genommen. Durch Selbststudium, eigene Prozesse und die Zusammenarbeit mit Rechtshilfegruppen hat sie sich Rechtskenntnisse angeeignet. Inzwischen verteidigt sie sich nicht nur selbst, sondern auch „Mitkämpfer“ in Strafprozessen vor Gericht. Lecomte ist zudem journalistisch tätig, hält Vorträge und wirkt an der internationalen Vernetzung sozialer Bewegungen mit. Ihr Buch "Kommen Sie da runter! - Kurzgeschichten und Texte aus dem politischen Alltag einer Kletteraktivistin" erschien Anfang 2014 im Verlag Graswurzelrevolution.
Website
Volker Maria Hügel, GGUA, Münster
Volker Maria Hügel kämpft seit 30 Jahren für Asylbewerber und Flüchtlinge in Münster, sowie auf Landes- und Bundesebene: Er ist Mitbegründer der GGUA - Gemeinnützige Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender e.V., wo er heute vor allem seine Erfahrungen und Kompetenzen in bundesweiten Fortbildungen anbietet, sowie in Schulungen und Seminaren für haupt- und ehrenamtliche BeraterInnen. Ausserdem ist er im Bundesvorstand von Pro Asyl und in der Härtefallkommission des Landes.
Website
Michael Sturm, mobim, Münster
Michael Sturm ist Historiker und seit 2008 im mobilen Beratungsteam gegen Rechtsextremismus und für Demokratie in Münster. Zwischen nördlichem Ruhrgebiet und dem weitläufigen Münsterland reagieren sie auf Erfahrungen mit Rechtsextremismus in der Region:
Leisten mobile Beratung an Schulen, in Vereinen und anderen Einrichtungen. Sie leisten dabei Hilfe zur Selbsthilfe und versuchen, die vor Ort vorhandenen Ressourcen zu aktivieren und zu vernetzen, um langfristige Wirkungen gegen rechtsextreme Einstellungen und Handlungen zu ermöglichen.
Website
Bernd Drücke, Graswurzelrevolution, Münster
Bernd Drücke ist als Autor und freiberuflicher Journalist tätig. Seit November 1998 ist er presserechtlich verantwortlicher Koordinationsredakteur der Graswurzelrevolution, einer seit 1972 überregional erscheinenden Monatszeitung für eine gewaltfreie, herrschaftslose Gesellschaft. 2007 war er als Mitglied des Umweltzentrum-Archiv-Vereins gemeinsam mit der Künstlerin Silke Wagner Realisator des Projekts Münsters Geschichte von unten im Rahmen der „Skulptur.Projekte Münster 07“. Als Sprecher des "Freundeskreis Paul Wulf" setzte er sich ab 2007 erfolgreich unter anderem für den Erhalt der von Silke Wagner und ihm entwickelten Paul Wulf-Skulptur und für die Umbenennung des nach einem NS-Arzt benannten Jöttenwegs in Paul-Wulf-Weg ein.
Website
Alexandra Hippchen (Moderation), Pfarrerin, Münster.
Alexandra Hippchen war von 1998 bis 2004 Parrerin der Evangelischen Studentengemeinde (ESG) in Münster. Heute ist sie Pfarrerin der evangelischen Kirchengemeinde Emsdetten. Sie moderiert den Runden Tisch für Bleiberecht und ist Ombudsfrau für Menschen in ALG 2, beides für den Stadtrat der Stadt Münster.
Ausserdem ist sie Koordinatorin der Notfallseelsorge im Kreis Coesfeld und Borken.
Am 12.10. (Sonntag), ab 20:00 Uhr im Pumpenhaus in Münster .
Gartenstraße 123, 48147 Münster
Zum Theater
Charaktere und Plot (Auszüge)
Stefan (Toto Hölters) und Miri (Stefanie Bockermann) Anfang, Mitte Vierzig, verheiratet, eine Tochter Marie, 3 Jahre alt.
Marie geht jeden Tag von 9 bis 15 Uhr in einen Kindertagesstätte „Die Minis“, beide machen Elternarbeit, Stefan ist sogar im Vorstand.
Seit 20 Jahren zusammen-lebend, seit 6 Jahren erst verheiratet.
Miri ist Buchhändlerin, hat sich vor einem Jahr mit einer Freundin zusammen
selbstständig gemacht, mit einem Buchladen, der sich auf Kochbücher spezialisiert
hat; Der Laden läuft gut und Miri geht es seit langem endlich mal wieder richtig gut.
Ausserdem engagiert sie sich seit zwei Monaten in einem „Eine -Welt-Laden“, was
ihr gefällt und neue Kontakte bringt. Sie hat Ladendienste übernommen, ein mal die
Woche und arbeitet in einer Bildung-AG mit.
Stefan ist seit 10 Jahren als kaufmännischer Angestellter in einer Kunstgallerie
in Greven angestellt und hat die Karriereleiter auch gut erklommen. Er unterstützt
Miri sehr und steht auch mal mit im Eine-Welt-Laden, um ihr „bei der Rettung der
Welt ein bisschen zu helfen.“, wie er es mit einem liebevollen Augenzwinkern nennt. Stefan hat zwei gute Freunde, mit denen er regelmäßig was unternimmt.
Ausserdem spielt er Fußball.
Die Überwachungskamera im Kinderzimmer:
Die Fragen um das Wohl der Tochter nimmt sehr viel Raum in Stefans Privatleben ein.
Besonders Stefan ist ständig darum bemüht die drei-jährige Tochter vor allem vor dem zu
schützen, was er als Bedrohung für das Mädchen empfindet, nämlich die
Realität („Wir wollen Marie so lange wie möglich vor diesen Dingen schützen wie Armut
und Gewalt die da draußen tagtäglich passieren“). Stefan hat zwischen den offiziellen
Fernsehsendern den Kanal für eine Überwachungskamera in Maries Kinderzimmer
gelegt.
Die Eltern schalten also allabendlich immer mal rüber in das Kinderzimmer ihrer Tochter,
um zu kontrollieren, ob es ihr während des Schlafes gut geht. Da Miri im Moment viel
Neues ausprobiert, neuer Job, neuer Look, neue Hobbys, hat sie viel Zuversicht
gewonnen und möchte das Überwachen gar nicht mehr so sehr. Stefan aber empfindet
diese Schaltung als Teil-Erfüllung seiner Elternpflicht und versteht nicht die zunehmend
kritischen Einwände seiner Frau.
Das Fotoalbum:
Stefans Verhältnis zu den eigenen Eltern ist geprägt von grosser Ambivalenz. Einerseits
sehnt er sich nach deren Nähe und Bestätigung, andererseits ist ihm die komplizierte Ehe
der Eltern mit den verdeckten Streitereinen und Abhängigkeiten, und der oberfächlichen
Harmonie zuwieder. Er findet beide ganz okay, wenn sie so zusammen sind. Aber schnell
treten die destruktiven Muster der Ehe zutage und verunsichern Stefan sehr.
Stefan ist eigentlich ganz klar auf der Seite seiner Mutter. Er ist ein Mutterkind und es
besteht ein grosses unbearbeitets Konkurrenzverhältnis zu seinem Vater. Verstärkt seit
dem herausgekommen ist, dass der Vater eine Affaire und sogar einen zweiten Sohn hat, Stefans Halbbruder.
Er hat sich daher entschieden, grossen Abstand zu seinen Eltern einzuhalten. Was ihn oft
traurig macht, aber für ihn die einzige Möglichkeit ist, mit der Ambivalenz umzugehen.
Darunter leidet Stefans Mutter vermutlich am meisten. Und er weiss das auch. Er ist
gleichzeitig wütend und traurig darüber.
Zum seinem Geburtstag hat Stefan ein Paket von seinen Eltern bekommen (er weiss
gleich, dass es eigentlich von der Mutter kommt). In dem Paket findet sie ein Fotoalbum.
Dieses Fotoalbum hat Stefan selbst bis zum Beginn seines Studiums geführt, aber dann
noch im Elternhaus zur Seite gelegt und nicht weiter bearbeitet.
Nun stellt er fest, dass dieses Album von der Mutter in den letzten zwanzig Jahren beinahe
lückenlos weitergeführt wurde. Er findet Fotoaufnahmen von Familienfeiern bei denen er
dabei war, aber auch solche bei denen er fehlte. Die Mutter hat versucht seinen
Schreibduktus bei den Bildunterschriften nachzuahmen.
Der Halbbruder:
Stefan hat einen Halbbruder, Jochen, der genau wie er heute 42 Jahre alt ist. Er wohnt in
Berlin. Jochen ist der zweite Sohn seines Vaters. Er ist kurioser Weise nicht nur gleich alt,
sondern er hat sogar am selben Tag wie Stefan Geburtstag. D.h., er wurde am selben Tag
wie Stefan gezeugt. Der Vater hatte also vor oder nachdem er mit Stefans Mutter, seiner
damaligen Frau, Stefan gezeugt hat, ganz zeitnah auch mit einer anderen Frau ein Kind
gezeugt, nämlich Jochen. Die gesamte Familie wusste lange Zeit nichts von der
ausserehelichen Affäre des Vaters und schon gar nichts von der Existenz Jochens. Sie
kennen auch bis heute Jochens Mutter kaum.
Erst sehr viel später, und als beide bereits 21 Jahre alt sind, erfahren sie durch ihren
gemeinsamen Vater voneinander. Per Post im Briefumschlag mit Fotos und Adresse. Der
Vater hielt es für richtig beide erst dann mit dieser Wahrheit zu konfrontieren, wenn sie im
konservativen Sinne Volljährig sind, also nicht schon mit 18, sondern eben erst mit 21.
Stefans Vater ist in dieser Beziehung immer schon etwas seltsam gewesen, er hielt Stefan
auch in anderen Dingen erst mit 21 für Volljährig.
Stefans Verhältnis zu Jochen aber auch das zu dessen Mutter und deren Lebens- und
Familiensituation, ist bis heute unklar geblieben. Die Verheimlichung des Vaters und die
späte, diffuse Aufklärung über dessen Parallelbeziehung konnten alle daran
Beteiligten selbst nie richtig überwinden und aufklären. Irgendwie stand die ignorante
Haltung des Vaters immer über allem.
Vor 10Jahren gab es ein erstes Treffen zwischen Stefan und Jochen. In einem Restaurant
in Berlin-Schöneberg, an einem Sonntag zum Mittagessen. Alles war ganz irreal. Man hat
sich gleich umarmt ohne sich zu kennen. Nichts wurde richtig angesprochen. Irgendwann
wurde über Fussball geredet und über Versicherungen. Stefan musste zwischendurch aufs
Klo rennen und hatte beinahe einen Kreislaufzusammenbruch.
Danach gab es keine Treffen mehr. Beide sind seit drei Jahren auf Facebook miteinander
befreundet. Jochen schreibt selten mal kurze E-Mails. Die Stefan unbeantwortet lässt.
Jochen hat Stefan mal geschrieben: „Wir haben am selben Tag Geburtstag, wir sind an
diesem Tag sogar in der selben Stunde geboren worden. Wir haben den selben Vater.
Wenn wir dieselbe Mutter hätten, wären wir Zwillinge. Tatsächlich sind wir uns fremd.“
An diesem Abend ruft Jochen bei Stefan an und fragt ihn, ob sie nicht bitte skypen könnten. er
fühle sich etwas einsam, hätte gerne Gesellschaft, und sei es nur indem er das Videobild von den
beiden aus dem Wohnzimmer sehen könnte. "Wir können auch die Mikros ausmachen und ihr könnt ungestört quatschen. Hätte euch nur gern n bisschen bei mir."
Stefan findet die Idee erstmal doof. Miri ermuntert ihn auf Jochens Wunsch einzugehen. Also wird die skype-Verbindung hergestellt. Mikros aus.
Während sie im Gespräch über Jochen beiläufig das Skype-Bild ohne Ton auf dem Monitor
sehen, ist es fast so, als unterhalten sie sich über eine Figur in einem Film.
Part of
RESET Festival No.5
Mixed Arts Festival in Münster
Das RESET ist ein junges Kunst- und Kulturfestival in Münster, das bereits viermal statt fand und vom 5. -12. Oktober 2014 in die fünfte Auflage geht. Als Kulturkatalysator unterstützt, präsentiert und verbindet das RESET junge Künstlerinnen und Künstler, Ausstellungen und Veranstaltungen und sorgt für Durchmischung und Vernetzung über Spartengrenzen, Stile und Standorte hinweg. Jedes/r RESET ist anders, aber immer vielfältig: Kunst, Konzerte, Poesie, Film, Theater, Kleinkunst, Versuch und Irrtum, Experimente, neuartige Veranstaltungen und Partys locken ein überaus buntes Spektrum von Besuchern an und wecken die Lust auf neue kulturelle Erfahrungen. Das RESET FESTIVAL ist ein Projekt unter der Leitung von Wilko Franz mit vielen langjährigen Mitstreitern und Jahr für Jahr neuen Mitwirkenden aus unterschiedlichen Szenen.
Karten
Einzelticket: 11€ / 8€ ermäßigt (Nur an der AK im Pumpenhaus!)
Tagesticket (inkl. der Aufführung von Paradeiser Productions AG KLANG): 15€ / 12 € ermäßigt (Im Teilchen & Beschleuniger!)
Kartenreservierung
Pumpenhaus
RESET Festival No. 5